Fahrlässige Tötung per Strafbefehl: Chancen und Risiken
Welche Möglichkeiten und Risiken gibt das Strafbefehlsverfahren bei der fahrlässigen Tötung?
Das Strafbefehlsverfahren bei der fahrlässigen Tötung
Das Strafbefehlsverfahren ist im deutschen Strafrecht ein Sonderfall, der es ermöglicht, Straftaten von geringem bis mittlerem Schweregrad ohne Hauptverhandlung durch einen schriftlichen Strafbefehl zu ahnden. Obwohl das Verfahren ursprünglich für geringfügige Delikte wie Diebstahl oder einfache Körperverletzung konzipiert wurde, kann es unter bestimmten Umständen auch bei schwerwiegenderen Vergehen wie der fahrlässigen Tötung zur Anwendung kommen. Aus Sicht eines Strafverteidigers bietet dieses Verfahren sowohl Chancen als auch erhebliche Risiken für den Mandanten, die sorgfältig abgewogen werden müssen.
Das Strafbefehlsverfahren: Grundzüge und Besonderheiten
Das Strafbefehlsverfahren ist in den §§ 407 ff. StPO geregelt und sieht eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren vor, ohne dass eine mündliche Hauptverhandlung stattfindet. Der Strafbefehl wird von der Staatsanwaltschaft beantragt und vom Richter erlassen, wenn dieser den Antrag für ausreichend begründet hält. Im Wesentlichen ist der Strafbefehl eine Art „Urteil auf Papier“, das häufig Geldstrafen oder in Ausnahmefällen auch eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf Bewährung vorsieht, wenn ein Verteidiger den oder die Beschuldigten vertritt. Eine mündliche Verhandlung wird nur durchgeführt, wenn der Beschuldigte gegen den Strafbefehl fristgerecht Einspruch einlegt.
Die wesentlichen Vorteile dieses Verfahrens sind:
Schnelligkeit: Der Fall kann ohne aufwändige Gerichtsverhandlungen abgeschlossen werden. Viele meiner Mandanten scheuen die öffentliche Hauptverhandlung, gerade auch bei diesem Tatvorwurf.
Diskretion: Es bleibt meist ohne öffentliche Aufmerksamkeit, da keine öffentliche Verhandlung stattfindet.
Mildere Sanktionen: Oftmals fällt die Strafe im Strafbefehlsverfahren milder aus, da die Staatsanwaltschaft und das Gericht das Verfahren im Interesse der Entlastung der Justiz bevorzugen. Meist enthält der Strafbefehl eine sog. Geständnisfiktion.
Anwendung bei fahrlässiger Tötung
Die fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) ist ein schwerwiegendes Delikt, das in der Regel mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet wird. Fälle, die durch fahrlässiges Verhalten – etwa im Straßenverkehr – zum Tod eines Menschen führen, sind emotional aufgeladen und ziehen oft erhebliche mediale und soziale Aufmerksamkeit auf sich. Dass auch in solchen Fällen ein Strafbefehl erlassen wird, ist ungewöhnlich, aber nicht unmöglich.
Voraussetzung für einen Strafbefehl bei fahrlässiger Tötung ist, dass die Staatsanwaltschaft und das Gericht die Tat als minder schweren Fall oder Grenzfall einstufen und lediglich eine Geldstrafe oder eine kurze Bewährungsstrafe für angemessen halten. Der Strafverteidiger muss hier jedoch bereits im Ermittlungsverfahren strategisch vorgehen, um den Sachverhalt so darzustellen, dass diese Lösung als gerechtfertigt erscheint. Hier bedarf es einer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet, um eine Entscheidung im Strafbefehlswege durchzusetzen.
Vorteile des Strafbefehls bei fahrlässiger Tötung
1. Vermeidung einer Hauptverhandlung: Der wohl größte Vorteil für den Mandanten ist die Möglichkeit, eine belastende und emotional aufreibende Hauptverhandlung zu vermeiden. Gerade bei einer fahrlässigen Tötung, die häufig mit schwerem Schuldempfinden und öffentlichem Druck verbunden ist, kann dies eine immense psychische Erleichterung darstellen. Es werden in diesem Zusammenhang häufig auch sehr teure Sachverständigengutachten in der Hauptverhandlung vermieden.
2. Milderung der Strafe: Häufig bietet das Strafbefehlsverfahren eine Möglichkeit, die Strafe geringer ausfallen zu lassen. Eine Hauptverhandlung kann zu einem umfassenderen Strafmaß führen, da dort alle Umstände ausführlich erörtert werden, während im Strafbefehlsverfahren eine pragmatische Lösung im Vordergrund steht.
3. Schnelle Verfahrensbeendigung: Der Mandant muss nicht Monate oder gar Jahre in Unsicherheit über den Ausgang des Verfahrens leben. Ein Strafbefehl führt zu einer schnellen Erledigung, was vor allem in Fällen mit öffentlichem Interesse von Vorteil sein kann.
4. Wahrung der Anonymität: Die Tatsache, dass kein öffentlicher Prozess stattfindet, schützt den Mandanten vor der medialen Öffentlichkeit und vor einer Stigmatisierung in der Gesellschaft.
Risiken und Gefahren des Strafbefehls
Trotz der genannten Vorteile birgt das Strafbefehlsverfahren erhebliche Gefahren für den Mandanten, insbesondere in Fällen der fahrlässigen Tötung, da es sich hierbei um ein schwerwiegendes Delikt handelt, das grundsätzlich auch eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann.
1. Fehlende mündliche Verteidigung: Ein zentrales Risiko liegt darin, dass die mündliche Hauptverhandlung entfällt. Dies bedeutet, dass keine Gelegenheit besteht, die Umstände der Tat ausführlich vor Gericht darzulegen und entlastende Argumente vorzutragen. Im schriftlichen Verfahren basiert der Strafbefehl allein auf den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, was zu einer einseitigen Sichtweise führen kann. Wir werden in der Regel bereits im Ermittlungsverfahren eine Erklärung zur Ermittlungsakte reichen, um das Verfahren möglichst frühzeitig für Sie aktiv gestalten zu können.
2. Kein umfassendes Beweisverfahren: Da keine Hauptverhandlung stattfindet, gibt es auch keine Möglichkeit, Zeugen oder Sachverständige vor Gericht zu hören. Dies kann dazu führen, dass entlastende Beweise nicht ausreichend gewürdigt werden. Der Mandant verliert so das Potenzial, durch eine ausführliche Beweisaufnahme seine Position ggfs. zu stärken.
3. Automatischer Schuldspruch: Akzeptiert der Mandant den Strafbefehl, wird dieser einem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt. Das bedeutet, dass der Mandant die Schuld für die fahrlässige Tötung anerkennt, ohne dass eine differenzierte gerichtliche Prüfung erfolgt ist. Dies kann besonders gravierend sein, wenn der Mandant an seiner Unschuld festhält oder die Tatumstände anders bewertet wissen will.
4. Begrenzte Rechtsmittel: Ein Einspruch gegen den Strafbefehl ist zwar möglich, doch führt dieser automatisch zu einer Hauptverhandlung. Dies bedeutet, dass der Versuch, durch einen Strafbefehl eine milde Sanktion zu erhalten, hinfällig ist und sich der Mandant in einer aufwändigen Hauptverhandlung wiederfindet.
Die Rolle des Strafverteidigers
Die Aufgabe des erfahrenen Strafverteidigers besteht darin, den Mandanten umfassend über die Chancen und Risiken des Strafbefehlsverfahrens aufzuklären. Dabei muss abgewogen werden, ob die Vorteile – insbesondere die Vermeidung einer Hauptverhandlung und die mögliche Milderung der Strafe – die Risiken, wie den automatischen Schuldspruch und den Verzicht auf eine eingehende Beweisaufnahme, überwiegen.
Ein erfahrener Strafverteidiger wird stets prüfen, ob es sinnvoller ist, auf einen Strafbefehl zu verzichten und stattdessen eine Hauptverhandlung anzustreben, in der der Mandant aktiv seine Verteidigung vortragen kann. Auch die psychologischen und sozialen Auswirkungen für den Mandanten müssen berücksichtigt werden. Ein Strafbefehl kann zwar eine schnelle Lösung sein, aber nicht immer die gerechteste.
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